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Sprache in den Neuen Medien (2)

Wir wollen mit der Differenzierung, was ein Medium ist, noch ein bisschen fortfahren.

Lange Zeit galt die Annahme, dass Medien lediglich reine Transportmittel für Informationen seien. Erst mit einer Umwälzung im wissenschaftlichen Feld, die man gemeinhin als linguistische (oder mediale) Wende bezeichnet (engl. linguistic turn), wurde diese Perspektive korrigiert. Heutige Medienwissenschaftler weichen von einem konservativ-technokratischen Medienbild ab und gehen nun dazu über, dem Medium selbst eine Beteiligung an der Bedeutung zuzuschreiben.

Die Krux, wenn Medien funktionieren

Wenn Medien funktionieren, wenn sie wirklich gut funktionieren, dann treten sie hinter die Inhalte zurück, die sie übermitteln helfen. Man spricht davon, dass Medien “der blinde Fleck im Mediengebrauch” seien (vgl. Sybille Krämer 1998). Um dem Bedeutungsanteil auf die Schliche zu kommen, den Medien von sich aus beisteuern, muss man ganz genau hinsehen, oder aber Störungen erzeugen. Denn:

“Wir hören nicht Luftschwingungen, sondern den Klang der Glocke; wir lesen nicht Buchstaben, sondern eine Geschichte; wir tauschen im Gespräch nicht Laute aus, sondern Meinungen und Überzeugungen, und der Kinofilm läßt gewöhnlich die Projektionsfläche vergessen. Medien wirken wie Fensterscheiben: Sie werden ihrer Aufgabe um so besser gerecht, je durchsichtiger sie bleiben, je unauffäliger sie unterhalb der Schwelle unserer Aufmerksamkeit verharren. Nur im Rauschen, das aber ist in der Störung oder gar im Zusammenbrechen ihres reibungslosen Dienstes, bringt das Medium selbst sich in Erinnerung.”
Ebd.

Latent spürbare Veränderungen

Das allerdings ist eine Annahme, die bereits Marshall McLuhan formulierte. Inhalte würden gegenüber der Wesensart von Medien blind machen. Ziel meines Hauptseminars an der Hochschule, folglich auch dieser Beitragsreihe im Blog, war es und wird es sein, folgendes zu zeigen und zu diskutieren: Zum einen, wie es möglich ist, dass Medien latent sinnstiftend agieren. Dabei gilt zu beobachten, wenn sie dies tun, wie sie es bewerkstelligen. Und im Besonderen ging es darum, zu zeigen, ob gerade Neue Medien (Chat, SMS, E-Mail, Foren, Weblogs, Newsgroups, etc.) einen Einfluss auf die Sprache haben. Wir werden noch im Einzelnen Gelegenheit bekommen, zu sehen, wie dies bei den einzelnen Neuen Medien ausschaut. Doch zunächst geht es darum, zu verstehen, warum Medien latent wirken, und es nicht immer leicht ist, an ihnen so etwas wie eine Spur zu erkennen.

Argumente für beide Seiten

Zwei große Medientheorien stehen stellvertretend für die Haltung pro und contra Indifferenz der Medien. Sprich: Haben Medien selbst einen Einfluss auf die Bedeutung, oder haben sie keinen. Einen Fürsprecher für die Position, dass Medien sinnstiftend sind, vor allem in der Art, dass sie ihre Umwelt verändern, finden wir in Herbert Marshall McLuhan (siehe folgende Ausarbeitung von mir). Mit seinem Diktum, das Medium sei die Botschaft, hat McLuhan diesen Gedanken explizit formuliert.

Argumente für die andere Position liefert uns die Systemtheorie, allen voran in Person von Niklas Luhmann. Luhmann unterscheidet seit den 80er Jahren die Begriffe Medium und Form. Diese sind entweder lose oder rigide aneinander gekoppelt, eröffnen jedoch die Perspektive der Bedeutungs-Indifferenz von Medien. Einfach gesprochen, Medien haben nach Luhmann keinen Anteil an der Bedeutung des Inhalts den sie transportieren.

Die Wichtigkeit der Perspektive

“Wo Theorien zu solchen sich ausschließenden Ergebnissen gelangen”, schreibt Sybille Krämer, “liegt die Vermutung nahe, daß hier ein Phänomen nicht einfach widersprüchlich, sondern in völlig verschiedenen Hinsichten beschrieben wird.” (Ebd.)

So eindeutig ist diese Vermutung allerdings nicht, die Frau Krämer äußert, denn immerhin gibt es genügend Anhänger der einen oder anderen Richtung, und das gilt für ganz ganz viele andere Sachverhalte genauso, in denen Experten sich uneins sind. Es ist nicht der Normalfall, dass man versucht, dem Grund für die Unterschiedlichkeit der Aussagen nachzugehen. Dies noch erläutert, führt uns der Gedanke wieder zurück zum Anfang. Im ersten Teil der Reihe habe ich geschrieben, wie wichtig ein Wort, ein Begriff, eine Definition für das (wissenschaftliche) Arbeiten sein kann. Wir wissen nun, dass McLuhans und Luhmanns Ansätze sich zwar gegenläufig anhören, ahnen aber, dass nach Sybille Krämer, sie nur zwei Seiten einer Medaille sind.

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