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Schatz, was machst Du?

2004, Februar, es stand im Spiegel. Wissenschaft ist etwas Anderes als ein Schnipsel, der gerade einmal nur ein Drittel einer DinA4-Seite einnimmt. Deshalb: Hingeschaut! Was nun zunächst folgt ist ein fiktiver Dialog zwischen Männlein und Weiblein.

M: Schatz, was machst Du?

F: Nichts, nichts.

M: Na dann ist ja gut. Du warst beim Frisör?

F: Ja, sieht toll aus, oder?

M: Ich fand’s vorher auch nicht schlimm. Gehst du heute wieder aus?

F: Na danke. Ja, mit Lizzy.

M: Und was macht ihr dieses Mal?

F: Also, das wissen wir nocht nicht genau. Aber vielleicht fahren wir danach noch zu ihr. Ich kann dir also nicht sagen, wann ich wieder da sein werde.

Was das Männlein nicht ahnt, sein Weiblein geht fremd. Der Spiegel übertitelte den Wissenschaftsfetzen damals mit Die Kunst des Seitensprungs und referiert kurz und knapp die Ergebnisse einer Studie von David Schmitt und Todd Shackelford, zwei US-amerikanischen Psychologen, die eine Studie gemacht hatten, in der sie die Versuchspersonen (Vpn) zunächst über mögliche Strategien zum Verheimlichen von Seitensprüngen befragten, und den erstellten Katalog mit Täuschungstricks dann den Vpn noch ein Mal vorlegten, um sie zu bewerten. Im sehr weit heruntergebrochenen Ergebnis sind Männer leichter hereinzulegen, doch die Frau lässt sich durch gefühlsbetonende, anregende Gespräche mit Tiefgang von der eigentlichen Sache ablenken. Es sei mir verziehn, dass ich im Folgenden noch etwas näher auf die Position des (gehörnten) Mannes eingehen werde, da ich selbst mich zu diesem Geschlecht zähle. Den oben begonnenen Dialog hätte man in der letzten Aussage der Frau noch eindeutiger gestalten können mit diesem Zusatz:

F: … Du brauchst auch nicht anrufen. Wenn es zu spät wird, werde ich bei Lizzy bleiben.

Spätestens hier hätte Hornochse von Mann, gesetzt den Fall die Beziehung eierte bereits eine zeitlang vor sich hin, mehr als nur hellhörig werden müssen. Laut Studie ist Mann aber naiv und kommt über Argwohn in den meisten Fällen nicht hinaus.

“Solange sie (F, A. T.) aber dahinlebt wie gewohnt oder ihre Attraktivität eher noch vernachlässigt, wird er selten rebellisch. Am besten, die Betrügerin wendet sich dem gehörnten Partner auch noch mit ‘gesteigerter Sexualaktivität’ zu – dann kann sie anderweitig meist vollends treiben, was sie will” (Spiegel 08/04, S. 118).

Was aber, wenn Mann gar nicht in der Laune ist auf gesteigerte Sexualität? Wird aus Argwohn dann auf ein Mal spekulativer Erkenntnisgewinn?! Andernorts (vgl. KulturRation) liest man, allerdings auch nur in einer Rezension über ein thematisch verwandtes Buch zweier deutscher Autoren, dass eine geschätzte, wenngleich zu hoch angesetzte Dunkelziffer 40 Millionen Bundesbürger als potenzielle Fremdgänger outet. Der Rezensent schreibt lapidar:

“Selbst wenn diese Schätzung zu hoch sein sollte – Seitensprünge können zu Psychokrisen, Trennungen, Ehescheidungen mit ihren Konsequenzen für Kinder und Lebensqualität führen. Sie können aber unter Umständen auch Beziehungen stabilisieren” (ebd.).

Der Rezensent fand die Lektüre ermüdend, aber auch die Darstellung des Fremdgehens empfand er als einer Art Schilderung eines Fulltime-Jobs (vgl. ebd.).

Spätestens mit diesem Schlusskapitel festigte sich beim Rezensenten der Eindruck, dass es Autorin und Autor letztlich nicht um das risikolose Vergnügen am Seitensprung geht, auch nicht um wirklich erprobte Täuschungstricks wie in den Untersuchungen von David Schmitt und Todd Shackelford, sondern um derart detaillierte Warnungen vor den Risiken des Fremdgehens, dass Leserin und Leser nach Lektüre gleich verzichten und sich mehr oder minder seufzend wieder ihrem Gatten mit Bierbauch und Halbglatze oder ihrer shoppingsüchtigen Ehefrau zuwenden. Und damit zeigt sich die letztlich hochmoralische und grundkonservative Einstellung von ‘Sabine Erdmann, Sekretärin, 35’ (‘betrügt ihren Mann seit fünf Jahren’) und ‘Wulf Schreiber, Manager, 40 oder 41’ (‘betrügt seine Frau regelmäßig seit drei Jahren’)” (ebd.).

Zum Ausklang möchte der Rezensent gar noch die Frage beantwortet wissen, “wer sich hinter den Pseudonymen verbirgt?” (ebd.). Wie geht Mann also damit um? Hingeschaut!

M: Sag mal, gehst du mir fremd?

F: Was? Wie kommst du denn darauf? Natürlich nicht!

M: Du bist irgendwie anders. Ich weiß auch nicht so Recht.

Und was tut Mann, wenn er gerne nicht untätig bleiben will? Nun, vielleicht hilft hier das Zitat, was sich an wieder anderer Stelle fand, vorausgesetzt man ist der englischen Sprache mächtig. 🙂

“Men who harbored such suspicions said they would phone their partners at unexpected times, refuse to take them to parties or not let them out of their sight, yell at them for talking to other men, tell their partners they would die if they ever left them and slug guys who made passes at their partners” (UniChron).

So verhält es sich also in etwa…

M: Du gehst heute schon wieder aus?

F: Ja.

M: Wieder mit Lizzy? Was ihr immer anstellt miteinander, so oft wie ihr euch seht.

F: Ach, wir finden schon was. Aber du brauchst nicht aufbleiben, wenn’s zu spät wird.

M: Mal schauen, vielleicht soll ich dich abholen? Dann könnt ihr beide was trinken, wenn ihr weggeht.

F: Das ist schon okay, du brauchst mich nicht abholen.

M: Und wenn ich dich gerne abholen würde?

F: Lieb gemeint, aber mach dir keine Umstände wegen mir. Du brauchst deinen Schlaf.

M: Und wenn ich gerne für dich auf meinen Schlaf verzichten würde?

F: …

Der Dialog könnte ewig weiter gehen. Die Frage, die jetzt kommen muss, lautet: Mit was für einem Ergebnis? Frau hat Mann die Hörner aufgesetzt. Ist das so schlimm? Wenn ja, warum? Andersherum ist es mindestens genauso schlimm, aber eben nicht schlimmer. Entweder ist es traurig, oder ein Symbol, das man interpretieren kann und vielleicht sogar muss? Ich bin in dieser Frage relativ zwiegespalten, ob man in so einer Situation zur Aufgabe gezwungen wird, oder letzten Endes doch als Sieger den Platz verlassen kann, indem man sich aus der Beziehung zurückzieht. Gibt es noch andere Möglichkeiten, wie die Sache ausgehen könnte? Sicherlich gibt es darüber hinaus noch weitere Wege, die Mann und Frau gehen können, außer in den Jungle um dort Bumm, Bumm zu machen. Man kann an diesem Punkt eine Diskussion ins Rollen bringen um das Verständnis von Sex, Liebe und Gefühl, vielleicht aber auch einfach nur das menschliche Selbstbild studieren in dem, was er über sich selbst herauszufinden in der Lage ist.

Wer sich für die Vita von Shackleford interessiert, wird hier fündig werden. Außerdem findet man dort eine Bibliographie des Aufsatzes, über den der Spiegelartikel Bericht abgelegt hat. 😉 Der Titel ist schon famos einschränkend formuliert, und es wundert mich ehrlich gesagt, warum der Spiegel darauf keinerlei Hinweis gegeben hat. Die Studie beschränkt sich, wenn man dem Titel Glauben schenken soll, nämlich ausschließlich auf Partnerschaften, in denen Kinder vorhanden sind. D. h. verheiratete Paare. An einer anderen Stelle war ich darüber gestolpert, dass keine schwulen Pärchen berücksichtigt wurden. Davon abgesehen sind aber auf jeden Fall auch Beziehungspartner ohne Kind nicht befragt worden und genauso wenig, kann man fast unterstellen, geht es in einer amerikanischen Studie um nicht-eheliche Gemeinschaften. Solche Lebenssituationen sind in den puritanisch-christlich-sektösen Vereinigten Staaten von Amerika wohl eher tabuisiert, sind doch die Amis schon Stolz auf die deutsche Freizügigkeit. So viel von mir dazu. Frohes Vermehren der gewonnenen Einsichten, jetzt, da Berlin Mitte in der Sommerpause ist.

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