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Dantons Tod, ein dramatisches Gemälde

Prüfungsrelevant ist Büchner eigentlich nur mit dem Werk Lenz. Die Texte von Büchner zu kennen birgt aber, wie die Lektüre beweist, einen unverwechselbaren Reiz. Einerseits wird man in die Lage versetzt, Vergleiche anstellen zu können. Andererseits hat Büchner in seinen Formulierungen einen ungeheuer bildhaften Ausdruck – das ist mir persönlich immer besonders wichtig, mehr noch, es ist extrem reizvoll, derartige Texte zu lesen. Ein gutes Beispiel, das Büchner mit Sicherheit abgibt, ermöglicht demjenigen, der sich in diesem Fall ein Beispiel daran nimmt, sich selbst zu verbessern. Jung, viel zu jung, ist Georg Büchner gestorben. Im Alter von 24 Jahren schied er von dieser Welt. Er kam auf die Welt, da war Jakob Michael Reinhold Lenz bereits gestorben, und doch fand er den Zugang zu den Texten und der Gedankenwelt dieses Mannes, den er sich vielleicht sogar zum Vorbild nahm.

Die Lektüre verzeichne ich als gewinnbringend. Derart viele Anstreichungen habe ich seit langem nicht machen können, umso mehr freut es mich, wenn der Text nun so viel zu bieten hatte. Mir lag eine einbändige Werkausgabe im Taschenbuchformat aus dem Goldmann Verlag vor. Die Seitenangaben im Folgenden beziehen sich darauf. Ich möchte den Text für sich selbst sprechen lassen, und eben drum nur einge Textausschnitte präsentieren. Zur Handlung des Dramas: Sie spielt zur Zeit der Französischen Revolution, selbst eine historische Figur wie Robespierre ist vorhanden. Büchner gelingt es sehr gut, die einzelnen Positionen der widerstreitenden Parteien jener Tage darzustellen. Als Mittel dienen ihm freilich die Figuren, die jeweils gewisse Standpunkte durch ihre Handlungen und Reden einnehmen.

“Die andern Leute haben Sonn- und Werktage, sie arbeiten sechs Tage und beten am siebenten, sie sind jedes Jahr auf ihren Geburtstag einmal gerührt und denken jedes Jahr auf Neujahr einmal nach” (S. 25, Marion spricht zu Danton).

Das obere Zitat dient nicht wegen seiner sprachlichen Erscheinung, sondern wegen seiner Aktualität im Gedanken als Beispiel. Philosophischer wird es an folgender Stelle auf Seite 33. Robespierre spricht zu Danton:

“Und ist nicht unser Wachen ein hellerer Traum, sind wir nicht Nachtwandler, ist nicht unser Handeln wie das im Traum, nur deutlicher, bestimmter, durchgeführter? Wer will uns darum schelten? In einer Stunde verrichtet der Geist mehr Taten des Gedankens, als der träge Organismus unsres Leibes in Jahren nachzutun vermag. Die Sünder ist im Gedanken.”

Dieser Standpunkt hat etwas vom Rationalismus, und trotzdem wird nicht klar, ob Robespierre nun dafür oder eher dagegen ist. Kommen wir zu einigen sprachlich schönen Bildern.

“Und soll ich nicht zittern, wenn so die Wände plaudern? Wenn mein Leib so zerschellt ist, dass meine Gedanken unstet, umirrend mit den Lippen der Steine reden? das ist seltsam” (S. 48, Danton zu Julie).
“Es gibt Gedanken Julie, für die es keine Ohren geben sollte” (ebd., erneut Danton zu Julie).
“Puppen sind wird, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst!” (S. 50, erneut Danton zu Julie).

Neben vielen weiteren interessanten Wendungen, sind es vor allem jene, die ich jetzt zitiere, und die sich um das Topoi Leben und Sterben arrangieren. Sehr eingängie sprachliche Bilder (Metaphern), die Büchner einzusetzen vermag.

“Ja als Kind! Das war der Mühe wert mich so groß zu füttern und mich warm zu halten. Bloß Arbeit für den Totengräber! […]” (S. 83, Danton zu Camille).

Danton weiß zu diesem Zeitpunkt bereits, dass er hingerichtet werden soll. Die weiteren Zitate werden darauf ebenfalls Bezug nehmen. Außerdem sieht Danton sich als den Klügeren, er kann und wird sich in den Tod ergeben, als noch mehr Menschen sinnlos umzubringen, im Auftrag der Revolution. Vor diesem Hintergrund dürften einige Zitate verständlicher werden. An derselben Stelle oben setzen wir unser Zitat fort:

“[…] Es ist mir, als röch’ ich schon. Mein lieber Leib, ich will mir die Nase zuhalten und mir einbilden, du seist ein Frauenzimmer, was vom Tanzen schwitzt und stinkt, und dir Artigkeiten sagen. Wir haben uns sonst schon mehr miteinander die Zeit vertrieben.
Morgen bist du eine zerbrochene Fiedel, die Melodie darauf ist ausgespielt. Morgen bist du eine leere Bouteille, der Wein ist ausgetrunken, aber ich habe keinen Rausch davon und gehe nüchtern zu Bett. Das sind glückliche Leute, die sich noch besaufen können. Morgen bist du eine durchgerutschte Hose, wirst in die Garderobe geworfen, und die Motten werden dich fressen, du magst stinken wie du willst.
Ach das hilft nichts. Ja wohl ‘s ist so elend sterben müssen. Der Tod äfft die Geburt, beim Sterben sind wir so hilflos und nackt, wie neugeborne Kinder.
Freilich, wir bekommen das Leichtentuch zur Windel. Was wird es helfen? Wir können im Grab so gut wimmern wie in der Wiege” (S. 83f., Danton zu sich selbst und zum schlafenden Camille).

Und noch dies eine:

“Wenn einmal die Geschichte ihre Grüfte öffnet, kann der Despotismus noch immer an dem Duft unserer Leichen ersticken” (S. 89, Danton zu anderen).

Den letzten Ausspruch tätigt Danton, wohlwissend dass er sterben muss, hingerichtet werden wird. Er fühlt sich insgeheim im Recht, und sieht seinen Tod nicht als Hindernis beim Erreichen seiner Ziele, vielmehr wird sich erst nach seinem Ableben zeigen, oder gerade deshalb, dass sein Tod und der anderer nicht völlig umsonst gewesen ist und man zu der Erkenntnis gelangen wird, die Falschen vor die Guillotine geschleppt zu haben.

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