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Starker Tobak in Sachen Killerspiele

Mit Rauchen und Rauchern, selbst wenn es sich um jugendliche Vertreter dieser Spezies ginge, hat das Thema des folgenden Artikels nur wenig zu tun, und trotzdem: Wenn man wollte, könnte man sich in die Lage versetzen um von Stöckchen auf Steinchen, über einen steinigen Pfad von haltlosen, aneinander gereihten Thesen schließlich doch bei der medialen Verwahrlosung von Jugendlichen anzugelangen. Spielen wir also mit unserer Sprache, um am Ende sowohl dem Interviewer wie auch dem Interviewten ein Schnippchen zu schlagen, quasi zwei Fliegen mit einer Klappe. Vorweg sei erwähnt, inhaltlich vertritt der Interviewte die Position contra actionlastige Computerspiele.

Klappe 1 – Der Interviewer (Steve Ayan): Auf 2 Din-A4 großen Seiten der Ausgabe 10/2005 der Zeitschrift Gehirn & Geist stellt Steve A. ein paar Fragen. Der von Informationen überquillende Platz wird darüber hinaus sogar noch von einem knapp 5 * 6 cm großen Portraitfoto des Interviewten (Prof. Christian Pfeiffer), sowie einer, 180 cm² umfassenden, themenverwandten Printanzeige gefüllt. So soll dem Leser das geballte Wissen zufliegen, wenn er sich denn damit zufrieden geben kann, dass die Textur in diesem Fall noch nicht einmal auf engstem Raum fehlerfrei gestaltet wurde. Das 2-Seiten-Mammutinterview wirkt als hahnebüchener Lückenfüller, scheint doch der Fragensteller der Materie ein wenig fremd zu sein, würde er sonst doch wissen, dass eine Frage wie die folgende im Kontext wissenschaftlicher Diskurse als sinnlos erachtet werden kann.

“Bewiesen ist das aber noch nicht, oder?” (Gehirn und Geist 10/2005, S. 36)

Ein lückenloser Beweis kann in Sachfragen jedweder couleur nicht erbracht werden, zumindest gilt das als heutiger Gemeinplatz, und allen Forschenden und jenen, die sich dem wissenschaftlichen Feld realistisch zu nähern versuchen und nicht gottgleich annehmen, sie seien die neue Krone der Schöpfung, wird versucht diese Position einzuimpfen. Beweiskraft gibt es lediglich in autonomen, um nicht zu sagen autarken, also selbst überlebensfähigen Systemen wie dem der Jurisprudenz oder dem der Mathematik. Derartige, in sich selbst geschlossene wissenschaftliche Systeme verfügen über eine Beweiskraft, die jedoch an den Grenzen des eigenen Systems und der darauf aufbauenden halt machen.

Psychologie, Soziologie, Politologie und viele weitere, die gemeinhin als Geisteswissenschaften angenommen werden, aber auch Naturwissenschaften, verfügen nicht über eine allgegenwärtige, für immer geltende und immer schon gegoltene Beweiskraft. Gerade das Faktum Zeit (Wandelbarkeit der Verhältnisse) verhindert dies. Hätte Steve A. nicht bereits zu Beginn des Interviews mit ein paar einleitenden Worten kundgetan, dass es sich um Thesen handele, die im Folgenden behandelt würden und die Beweislage im Kontext dieser Thesen als “dünn” zu bezeichnen sei (vgl S. 36), dann hätte man bei der nächsten Frage erneut ein Ausrufezeichen setzen müssen.

“Was ist hier Ursache und Wirkung? […]” (ebd., S. 37)

Sicherlich verfügt auch eine These über Ursache und Wirkung, jedoch sind soziale Sachverhalte, selbst in den renommiertesten Theorien selten derart simpel darstellbar, dass ein direkter Ursache-Wirkung-Zusammenhang deutlich erkennbar wäre, geschweige denn, dass man einen solchen deutlich machen könnte. So sammelt denn der Autor mit den folgenden Fragen für alle Ratgeberfetischisten ein Potpurri an Stichworten beim Interviewten ein, damit ihm die populärwissenschaftlich orientierte Anhängerschaft weiterhin die Stange halten möge.

Klappe 2 – Der Interviewte: Der gute Professor, seines Zeichens Kriminologe verwechselt offenbar Zahlen mit Worten und interpretiert Statistiken zugunsten seiner Aussagen. Wissenschaftlich kritisch könnte man hier den Erkennungs-, aber auch den Verwendungszusammenhang diskutieren. Mit einer sehr konservativen Position versucht Herr Pfeiffer, der nicht mit der älter werdenden Hollywoodgröße Michelle verwandt oder verschwägert zu sein scheint, seine autoritäre Ader medial zu prostituieren. Er warnt vor Studien, die die falschen Geldgeber hätten, und damit in ihren Ergebnissen nur halbe Wahrheiten oder gar gänzliche Unwahrheiten produzieren würden, vergisst dabei aber offensichtlich, dass sein Herkunftsmilieu ebenfalls nicht gerade der optimale Ausgangspunkt für derartige Untersuchungsobjekte zu sein scheint.

Es mutet daher an, dass der Herr Professor Gewalt in Computerspielen verabscheut, weil er Jugendliche Gewalttäter endlich dingfest machen möchte, aber im Gerichtssaal nicht unmittelbar die Parentalgeneration, als vielmehr eine Schar von Medienproduzenten dafür verantwortlich machen möchte. Man diskutiert in meinen Augen gänzlich an der Sache vorbei. Aufgeregte, aufregende und anstrengende Bilder,

“die virtuelle Bedrohung”, wie Pfeiffer sie nennt, “wie sie zum Beispiel von Kampfspielen ausgeht, das Abspeichern von Lernstoff im Langzeitgedächtnis hemmen kann.” (Ebd., S. 37)

Fakt ist, dass aufregende Bilder sich besser einprägen als öder Lernstoff… Man könnte so sogar versuchen didaktische Konzepte zur Steigerung von Lerneffekten mithilfe der Ergebnisse solcher Aussagen zu konstruieren, nicht aber mediale Inhalte solcher Art wie den Teufel an die Wand zu malen und als Sündenbock hinzustellen. Man muss die positiven Möglichkeiten der neuen Medien untersuchen und ihre Potenziale ausschöpfen, anstatt sie mundtot machen zu wollen.

Zwei Klappen sind genug, und inhaltlich hatte das Interview ohnehin nicht so viel zu bieten, das sich ausführlicher auszubreiten lohnte.

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