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Was ist mit den Frauen?

Derart muss man die Frage nach dem Inhalt des 26ten Kapitels “Dilletantism der Weiber” in Christa Bürgers Buch Mein Weg durch die Literaturwissenschaft stellen. Zunächst beschreibt Bürger einen Richtungswechsel in ihrer eigenen Forschung. Während sie sich vormals auf der Suche nach einer Methodologie der Literaturwissenschaft befand, ist ihr Weg über die Arbeit an dem Begriff der Institution Kunst und Literatur in Richtung einer Literatur von Frauen gedriftet (vgl. S. 239). Mit Blick auf die Institution und deren Tradition lässt sich das Schreiben von Frauen nicht nachträglich aufwerten (vgl. ebd.). Der Blick muss also hinter die Institution fallen, er muss sich von der Dichotomie Werk/Nicht-Werk lösen (vgl. S. 240).

Ebenso fordert Bürger eine Intensivierung der Interpretationsarbeit von Frauenliteratur, um die Anstrengungen auf ein annähernd gleiches Level mit der Interpretation kanonisierter Werke zu hieven (vgl. ebd.), vorzustellen in Analogie zur Angleichung der Löhne in Ost- und Westdeutschland heutzutage.

Bürger berichtet knapp von einem Germanistentag aus dem Jahre 1991, auf dem sie einen Vortrag gehalten hat und in der Retrospektive die Kritik, die im Nachhinein darüber geschrieben wurde, als eine Ansammlung gereizter Vorwürfe empfindet (vgl. ebd.). Bürger kann dies insgesamt nicht nachvollziehen, da sie das bestehende Paradigma nicht ins Wanken zu versetzen vermag mit nur einer geringen Anzahl von Fürsprechern (vgl. ebd.).

Ihre Gedanken über die schreibenden Frauen aus der Epoche der Weimarer Klassik und hernach leisten einer Position Vorschub, die in der Kapitelüberschrift bei Bürger schon kundgetan wurde. Bürger schreibt über Selbstzweifel von Frauen aus jener Zeit (vgl. S. 241). Sie schreibt überdies, dass sie die Kritik von Goethe und Schiller an dem Dilletantismus der Frauen, zumindest in einigen Fällen, nachvollziehen kann, selbst wenn sie den Ton unangebracht findet, mit dem Goethe und Schiller sich ein Urteil ausnehmen (vgl. S. 243). Denn die Frauen, die unter diesen Begriff fallen, “begnügen sich mit dem Abglanz, der von den ‘glänzenden Berggipfeln’ der Weimarer Kultur auf sie herabfällt” (S. 246). Gemeint ist der Schatten eines Goethe, die Orientierung an den sie ausgrenzenden Positionsgebern.

Bürger, Christa, 2003: Mein Weg durch die Literaturwissenschaft. - Frankfurt am Main: Suhrkamp. (=es 2312); hier Kapitel 26. 'Dilletantism der Weiber', S. 239-248.

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