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Tod in Moskau

Das ist nicht der Titel eines neuen Krimis sondern das traurige Schicksal das Jakob Michael Reinhold Lenz ereilen wird. In den letzten Kapiteln Sigrid Damms Buch Vögel, die verkünden Land wird der Leser noch einige Stationen in Jakobs Leben vorgehalten bekommen. Vorgehalten natürlich nicht im Sinne von einer Vorhaltung, die gemacht wird, vielmehr wörtlich zu verstehen. Uns als Leser wird vor Augen geführt, wie wenig Anschluss Lenz Zeit seines Lebens kriegt, wie wenig Anschluss er auch zu kriegen bereit ist. Nachdem es an der Oberfläche manches Mal danach ausgesehen hat als könnte Jakob für einige Zeit, oder gar länger, an einem Ort, an einer Stelle für längere Zeit oder gar für immer glücklich werden, so kommt es am Ende doch anders.

Jakob fühlt sich unverstanden, und die anderen fühlen sich durch seine Art nicht immer angezogen. Es ist selten eine Hassliebe, viel eher wird Jakob Lenz mitleidig von oben herab behandelt. Das mag zuerst an seinem Alter liegen, wird sich aber zu seinen Lebtagen nicht mehr verändern. Selbst als Jakob später, in Russland als Lehrer, als eine Verantwortungsperson gegenüber Jugendlichen auftritt, auftreten soll, sind es die Jungen, die die Oberhand behalten, wenn sie nicht von Haus aus gewillt sind, aus seiner liebenswürdigen Naivität und seiner unerschütterlichen Weisheit auch Positives zu entnehmen. Letztere Augenblicke sind für Jakob Momente des Glücks. Er stirbt, vom Vater und den Brüdern mehr schlecht als recht unterstützt, hat gegen Ende für die Konflikte, die, aus dem revolutionären Frankreich nach Russland dringend, das herrschende Prinzip unterlaufen, keinen Blick. Er sieht keine Gefahr und wird vielleicht für andere gefährlich, die ihren Kopf nicht durch ein unbedachtes Wort in einer Schlinge baumeln sehen wollen. Pech, immer mal wieder Pech – hat Jakob auf etwas Hinweisen wollen, das er zu seiner Zeit nicht verstehen konnte, vielleicht auch nicht verstehen wollte.

Einsam, anonym, wird er in einer Straße in Moskau gefunden, unter falschen Daten irgendwo beerdigt. Niemand dort, der ihm die letzte Ehre erweist. Oder vielleicht doch. Aber wir wissen es nicht. Bislang jedenfalls, denn, vielleicht erweist sich die weitere Lenz-Forschung so fruchtbar, dass sie noch weitere Indizien zutage fördert, die dem Leben von Lenz für Außenstehende noch einen weiteren Sinn geben können.

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