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Literatur

Kraftprotz

Wenn ich nicht der Stärkere sein will, bin ich dann automatisch der Schwächere? Wohl kaum, aber eben doch. Wenn wir in unseren Kategorien, Registern, in der Struktur und Formel unserer Weltgesellschaft einander begegnen und Bedeutungen erzeugen, dann geht es doch genau darum?! Was, wenn ich mich nicht darum kümmer, was der andere von mir denkt? Am Ende heißt es, nicht Kommunizieren geht nicht, weil auch das ein Ausdruck sei. Aber doch auch nur, wenn man einen Rahmen steckt, in dem das der Fall ist. Lassen wir also alles fallen und begeben uns zu neuen Ufern? Gibt es eine Welt dahinter?! Wo kommen wir her, und wo wollen wir hin?

Eine Szene aus einer Utopie: Es blickt jemand, der eines morgens aufwacht, und meint, noch den Ruß von Verbranntem zu riechen, und sich zu erinnern er habe die letzte Nacht geträumt, er sei vom Blitz getroffen worden – dieser jemand blickt aus dem Fenster, ihn fröstelt es und er reibt sich unwillkürlich an den Oberarmen. Versengte Kleiderfetzen fliegen von ihm fort zu Boden, säuseln gemächlich den Weg bis aufs Parkett, in einer Geschwindigkeit, die Forrest Gump dagegen langsam aussehen ließe, würde man ihm jetzt den Spiegel vorhalten.

In der nächsten Sekunde blickt derjenige wieder aus dem Fenster, fühlt seine Seele mit dem lieben Gott und Arthur Dent (Per Anhalter durch die Galaxis) eins werden und traut seinen Sinnen nicht mehr. Ihn muss dieselbe Spinne gebissen haben, die aus Peter Parker Spiderman werden ließ. Nein, sie muss am Ende noch viel größer gewesen sein. Der Typ vor dem Fenster, er hat nicht den Röntgenblick, sondern erfasst das Universum in einem Fokusmoment seiner Pupille. Er sieht die Milchstraße schlingern, hat das Gefühl, den Mond streicheln zu können, würde der nur endlich stillhalten und fühlt sich mit einem Mal als säße er in einer Attraktion eines Vergnügungsparks. Sein Unterleib meldet sich – huih! Er fokussiert das Geschehen siebzehn weitere Sekunden, muss sich über das Fenster hinweg übergeben, wie andere über einer Reling, wenn sie sich seekrank fühlen. Er reibt seinen Bauch und hat das Gefühl, die Mutter der Welt zu sein. Weitere sechsunddreißig Sekunden vergehen, es schüttelt ihn, als hätte man die Antarktis vor seinem Fenster aufgebaut. Sein Herzschlag geht nun immer schneller, er wird panisch. Noch ehe er dazu kommt, etwas zu sagen, findet er sich hinter Eis wieder – pardon, finden wir ihn hinter Eis wieder. Wir sind jene, die das Glück hatten, auf einem Fleckchen Erde geboren worden zu sein, der uns vor den Auswirkungen der relativen Universalbewegung des Weltalls sehr zufällig beschützte. Mitten in dem Moment, als viele schon wieder zu den Waffen greifen wollten, kam die nächste Eiszeit über uns, und ließ einzig einige winzige Fleckchen verschont, in denen die Zivilisation erst Rudimente gebildet hatte. Es vergingen einige Jahre in denen die Überlebenden Nachwuchs gebaren. Sie wuchsen zu Truppenstärke an und die nächste Epoche der Völkerwanderungen folgte auf dem Fuße.

Über das Prinzip des Versuchs und Irrtums hatten einige nun ein – wir würden sagen – altes, über eine Kurbel betriebenes Grammophon, eben an jenem Ort wieder in Betrieb genommen, da sich auch der Kotze speiende Eisklotz von Mensch einfand. Wie es scheint ein Sammler. Die urigen Wanderer fanden in einem aufgetauten und gesprengten Sicherheitsschrank eine Schallplatte, von der sie natürlich nicht wussten, wozu sie gut war, die, so wollte es der Zufall, nur wenig Schaden genommen hatte in dem Safe und nun, da die Handvoll Eindringlinge in das Privatreich des ehemaligen Religionsführers eingedrungen waren, fanden sie wie Kinder im Spiel mit Bauklötzen, dass sich die Kurbel drehen ließ, dass der Tonträger auf den Tonteller des Grammophons passte und erschreckten vor der Stimme die aus dem blechernen Trichter zu ihnen in einer fremden Sprache sang. Sie knieten ehrfurchtsvoll vor dem Grammophon in Gebetsgesten nieder, als es hieß: “Mach’s noch ein Mal, Jimmy!”

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