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Ein Gefühl zum Ausdruck bringen …

… versucht sicherlich jeder schon einmal. Auf welche Weise dies geschieht, ist vollkommen frei gestellt und lässt sich doch meistens auf ein Dutzend Ausdrucksformen reduzieren, die dafür Verwendung finden. Eine Form des Ausdrucks ist die Musik und eine andere ist das Schreiben. Ich verknüpfe an dieser Stelle ein Mal das Angenehme mit dem Nützlichen auf vielerlei Weise und werde am Ende wahrscheinlich einen sehr individuellen Review eines Musikalbums produziert haben.

Aufmerksam geworden bin ich auf das Album von Lynda – Mi día de la independencia, wie eigentlich sonst auch immer, per Zufall. 🙂 Wie es bei solchen Zufallsbekanntschaften häufiger der Fall ist, erfährt man im Nachhinein einige interessante Dinge darüber. So schreiben wir, auch wenn wir keine Römer oder Gallier sind, mittlerweile das Jahr 2005 nach Christus und für Lyndas Album hat dies zur Folge, dass wir es retrospektiv betrachten. Immerhin ist es nicht neu – im Sinne von neu, wie es wahrscheinlich die Generation Pop von heute definiert -, denn es wurde bereits im Jahr 2000 verlegt. Außerdem handelt es sich um Musik aus dem lateinamerikanischen Raum, die es nicht bis nach Europa geschafft hat, zumindest wird sie bei Amazon lediglich als Importware gehandelt, jedoch zu einem recht humanen Preis, wie ich finde.

Der Titel deutet eine Stimmung an, die musikalisch in den Liedern verwirklicht wurde. Übersetzt heißt er: “Der Tag meiner Unabhängigkeit” und er kann, ähnlich wie in der Literatur, auf das lyrische Ich bezogen werden. Ob die Sängerin in irgendeiner Weise an die Figur, die in den Liedern zu uns spricht, gekoppelt werden kann, diese Frage kann ich leider nicht beantworten. Das Album hat seinen Weg zu mir gefunden, wie das Kind zur Jungfrau und dennoch scheint es mich besonders anzusprechen. Den Grund möchte ich versuchen zu beschreiben, damit am Ende vielleicht auch andere von diesem Erlebnis angesteckt werden. Ich habe vor einiger Zeit, als es hieß, wieder eine gescheiterte Beziehung aufzuarbeiten, an diesem Punkt für mich die Erfahrung gemacht, dass es sehr hilfreich gewesen ist, aus allen Erlebnissen, seien sie auf den ersten Blick negativ, auch die positiven Erkenntnisse heraus zu arbeiten. Das hat man früher mitunter genauso getan, aber weitaus unbewusster und man hat damit keine Strategie verfolgt, den Rückschlägen im eigenen Leben den Wind aus den Segeln zu nehmen und somit am Ende vielleicht weniger gebeutelt dazustehen. Nachdem ich das Album gehört habe und mich auch ein wenig mit den Texten auseinander gesetzt habe, bin ich der Meinung gewesen, dass ein wenig von dieser Art zu denken, sich in den Liedern wiederspiegelt.

Die meisten Lieder des Albums haben in irgendeiner Form die Liebe zum Thema und nicht unbedingt die wenigsten Aspekte dieser Thematik sind auf den ersten Blick unheimlich positive. Der Titel suggeriert Unabhängigkeit, die auf irgendeine Weise erreicht wird, wurde oder werden soll und man hat schnell das Gefühl, dass diese Unabhängigkeit nicht gerade umsonst war und man, respektive das lyrische Ich, sich diese teuer erstehen musste, auf Kosten der Liebe zu einer Person. Wenn wir die Analogie bei Lynda sehen wollen, müsste es um die Liebe zwischen einer Frau zu einem Mann gehen, die aus Gründen, die uns zum Teil auch in den Texten erzählt werden, gescheitert ist. Aber gerade dieser Mix aus Gefühl (Melodie) und Ausdruck (Text) macht den Reiz aus, länger darüber nachzudenken. Die Melodie strahlt nie Tristesse aus, im Gegenteil wirkt oft sehr heiter und frisch. Die Varianz beschränkt sich auf den Bereich sehr sopraner Tonfrequenzen, sowohl in der Stimme, als auch in der instrumentalen Begleitung, die in ihrem Frequenzspektrum sehr hell und froh auf mich wirkt. Wenn überhaupt ein Gefühl vermittelt werden soll, dann ist es an dieser Stelle jedoch noch nicht vollständig. Denn zu dieser Fröhlichkeit mischt sich in Form der Texte immer auch eine andere Seite der Medaille. Zusammen genommen hat man jedoch nie das Gefühl, dass diese fröhliche Grundstimmung in sich zusammen fällt oder eventuell abgelöst wird. Daher rührt meine Art der Interpretation, dieses Album als Ausdruck dieser lebensweltlichen Denkart zu interpretieren, noch in den betrüblichsten Dingen das Gute erkennen zu wollen. Ich muss zugeben, ich bin nicht besonders bewandert im Bereich der Musik, kann also meine Worte nur beschränkt vermitteln lassen, was ich mir darunter vorstelle. Schauen wir uns den Text des Liedes Corazón perdido an, was übersetzt heißt: Verlorenes Herz.

Gehen wir davon aus, es handelt sich um eine sie und beschränken uns in der Folge auf die weiblichen Sprachformen. Das Lied beginnt mit folgendem Satz: “Era tu voz un tibio rumor, si las cosas no marchaban, bastaba oir tus palabras.” War deine Stimme (auch) ein laues Gerücht, wenn die Dinge sich nicht bewegten, reichte es deinen Worten zuzuhören. Hier wird Bezug genommen auf die Stimme des Geliebten, die selten oder nie laut und kraftvoll gewesen zu sein scheint und dennoch eine Anziehungskraft auf das lyrische Ich ausübte, denn sie half, wenn die Dinge sich nicht mehr bewegten. Man könnte auch meinen, dass er ein guter Freund gewesen sei, der ihr mit seinen Ratschlägen oft geholfen hat, wenn es bei ihr selbst kein Vorwärtskommen mehr gab. “Me tiene mal eso de extrañar el dulce cuento de hadas, y siempre lloro por nada.“, lautet der darauf folgende Satz, der uns bereits weitere Hinweise liefert. Übesetzt lautet der Satz: Dies hielt mich (nur) schlecht fest, das süße Märchen zu vermissen und immer umsonst zu weinen. Die zum Teil wörtliche Übersetzung sei mir verziehen, doch meine Spanischkenntnisse sind bislang begrenzt, doch an dieser Stelle erweitere ich meinen Wortschatz wie meinen Horizont gleichermaßen. 😉 Es hielt sie nicht fest, interpretiere ich vielmehr auf eine Weise, dass dies ihr keine Sicherheit gab. Der semantische Ton, der hier produziert wird, steht sehr im Kontrast zu der Fröhlichkeit der Melodie des Liedes, eines seichten Popsongs. Man könnte denken, dass sie nicht glücklich gewesen ist, immer nur etwas vorgemacht bekommen zu haben und am Ende sogar annimmt, umsonst geweint zu haben.

Es heißt weiter: “Fué en el penúltimo café, mientras hablábamos de amor o en aquel beso en el andén que dejé mi corazón, mi corazón.” Obgleich ich das Tempus noch nicht kenne, denke ich es richtig zu übersetzen, wenn ich schreibe: “Ich würde gerne ins vorletzte Cafe gehen wollen, während wir uns über die Liebe unterhalten würden oder über jenen Kuss am Bahnsteig, der mein Herz im Stich lassen wird.” Weiter heißt es: “Fué un vuelo de pájaros o en la fosforecente lus de tus ojos arándanos, que dejé mi corazón, mi corazón perdido.” Ich würde gerne einen Vogelflug unternehmen wollen oder im durchsichtig schimmernden Licht deiner heidelbeerfarbenen Augen sein wollen, was mein Herz im Stich lässt, mein verlorenes Herz. Sie klagt uns von ihrem Leid, aber auf eine Weise, die nicht Melancholie ausdrückt sondern aus der man Hoffnung schöpfen kann – Melodie und Text immer gemeinsam gedacht. 😉 “Te extraño, te extraño, te llevaste con tu adiós mi corazón perdido…” Ich vermisse dich, ich vermisse dich, du nahmst mit deinem auf Wiedersehen mein verlorenes Herz mit. “Recuerdo bien cada atardecer, nos daba por ver estrellas; la vida era perfecta.”

Ich erinnere mich gut and jede Abenddämmerung, die es für uns gab um Sterne zu sehen; das Leben war perfekt. Es sind also trotz des Wehmuts auch ihre schönen Erinnerungen, die erwachen. “Me tiene mal eso de extrañar tus labios color ciruela duele aunque no lo quisiera.” Frei gesprochen, gibt es ihr auch keinen Halt, sich an seine pflaumenfarbenen Lippen zu erinnern, es schmerzt, obwohl sie es nicht gerne mag. Sie wäre eigentlich gerne glücklich und kann trotzdem nicht einfach so die Erinnerung bei Seite packen. Die weiteren Zeilen sind lediglich Wiederholungen der bisher erwähnten. Auch wenn sich die Übersetzung schwer tut, ist vielleicht klar geworden, wie der Text nicht unbedingt immer zu den Inhalten passt. Ich habe dieses Lied exemplarisch ausgewählt, ohne einen besonderen Grund. Viele andere Lieder des Albums wären der Aufgabe ebenso gerecht geworden.

Bleibt mir aber noch anzumerken, dass diese Art mit Niederschlägen umzugehen in zweierlei Hinsicht einen Vorteil birgt. Zum einen wird man nicht zu sehr mitgenommen von den negativen Gefühlen, zum anderen verdrängt man sie jedoch nicht und kann die Dinge im Endeffekt sogar noch schneller verarbeiten.

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