Jugendfreunde können sich welche nennen, die eine “richtige” Bande verbindet. Eine falsche Bande – wie oben erwähnt – besteht zwischen den beiden Figuren Strella und Nettlinger in Bölls Roman Billard um halbzehn. Doch eines nach dem anderen. In Kapitel 6 hatte Fähmel Senior seine Frau im Sanatorium besucht und mit ihr ein schrecklich schönes Erinnerungsspiel gespielt. Die gute Frau ist über die Zeit, in der sie dort einsitzen darf, selbst ein wenig merkwürdig geworden. Verrückt war sie nie, lediglich gegenüber dem faschistischen Regime, so scheint es, zu aufmüpfig, indem sie sich nicht dafür entschied, hatte sie sich dagegen entschieden. Und indem sie sich hinter einen ihrer Söhne stellte, der mit Bombenlegern sympathisierte, wurde ihre eine Strafe angedroht, die sie nur derart umgehen konnte, als sie sich darauf einließ, ins Sanatorium gesperrt anstatt vor den Henker geführt zu werden. Fast könnte man beim Lesen mit dem alten Fähmel und seiner Frau Mitleid haben, wie sie sich in Erinnerungen vor der Zeit flüchten, vor allem siesich in derartige Erinnerungen flüchtet.
Nach dem Besuch bei der Frau steht die Geburtstagsfeier mit den restlichen Familienangehörigen an, denn Fähmel Senior hat Geburtstag. Wenig emotional, weil gestört ist auch das Verhältnis zu allen seinen Kindern. Robert Fähmel war zunächst nie sein Favorit, der andere Sohn hat sich dann ins Abseits gespielt, weil er mit den Faschisten sympathisierte. Ein Problem stellt auch dar, dass Robert ein Bauwerk seines Vaters im Krieg gesprengt hatte und dieser bislang darüber nichts weiß.
Ebenfalls wenig emotional geht es zwischen den beiden Figuren zu, die im nächsten, dem 7ten Kapitel unter der Fassade ihrer Nachnamen von Böll inszeniert werden. Es ist auffällig, bislang in allen Kapiteln, dass mit der Nennung der Vornamen mancher Figuren, immer auch die Nähe zu emotionalen Sphären gesucht und, zumindest bei mir, oft auch erzeugt wird.
Doch weiter: Der eine, Schrella, als Lamm, der andere Nettlinger, nicht als der gute Herr, der ihm die weisen wohlgesonnenen Ratschläge gibt. Schrella kehrt nach Deutschland zurück, wir erfahren in der Rückschau einiges über seine letzten Jahre, Gefängnisaufenthalte, usf. Ein sehr interessantes Kapitel, weil es mit Worten spielt, die in der Bibel bei Joh 21 auftauchen. Jedoch keine bloße religiöse Verklausulierung. Wenn mir die Bedeutung dieser Stelle im Johannes-Envangelium im Neuen Testament bekannter wäre, ich eindeutig eine Intension erkennen könnte, wüsste ich noch eine Menge dazu zu schreiben. Bislang bleibt es ein noch zu bedenkender Ansatzpunkt, der mich evtl. in der Zukunft noch ein Mal beschäftigen mag. Bis dahin wünsche ich viel Spaß beim Selberlesen und beim Vermehren der gewonnenen Einsichten und gönne mir das nächste Kapitel.
Böll, Heinrich, 1959: Billard um halbzehn. - Stuttgart, Hamburg: Deutscher Bücherbund.