Das 9te Kapitel in Iring Fetschers Buch Marx ist überschrieben mit Die Niederlage der Revolution in Europa und der “Bonapartismus”. Ihr werdet zu Recht fragen, was das jetzt mit Marx zu tun hat. Nun, wie die Überschrift meines Eintrags andeutet geht es in dem Kapitel Fetscher zunächst, wie schon im letzten, zunächst darum, einen historischen Rahmen zu skizzieren, in den er dann folgend ein Werk von Marx eingliedert. 1849 ist das Jahr nach 1848, und nachdem 1848 als ein Jahr der Revolutionen in Europa gelten kann, darf 1849 sicherlich als Jahr der Niederlagen der revolutionären Kräfte bezeichnet werden.
Nachdem Marx zuvor von der Kraft der Revolutionäre überzeugt schien, weiß er nun eine Antwort auf die Frage, warum die Revolutionen an ihre Grenzen gestoßen sind. Für ihn hängt dies eng mit der zentralen ökonomischen Machtposition Großbritanniens zusammen. Erst wenn diese gebrochen ist, so wäre nach Marx der Weg frei für die Revolutionen in Europa (vgl. S. 88f.). Schließlich wird gegen Ende 1848 Napoleon III. mit überwältigender Mehrheit zum Präsidenten Frankreichs gewählt und sollte 3 Jahre später zum Kaiser introniert werden. Marx veröffentlicht ein Buch, dass “den Weg Louis Bonapartes zur Alleinherrschaft über Frankreich” nachzeichnet, und zwar, wie Fetscher es bezeichnet, “als ein Beispiel soziologischer Geschichtsanalyse” (S. 90). Marx nennt 2 wesentliche Gründe für den Bonapartimus, den Fetscher überdies als “erste ‘moderne’, scheindemokratisch legitimierte Diktatur” (ebd.) bezeichnet. Zum einen erfahren wir von einer aufgeblähten Bürokratie und zum anderen einem ähnlich aufgeblähten Armee.
Die Bevölkerung Frankreichs wird zu der Zeit auf 35 Millionen Einwohner beziffert und jeweils eine halbe Million davon wurden als Beamten rekrutiert und eine weitere halbe Million als Soldaten (vgl. S. 90f.). Die Bürokratie habe sich nicht erst unter Bonaparte entwickelt sondern sei bereits als Altlasten bezeichenbar, aus einer Zeit, da es galt als Exekutive den Feudaladel in seinen Befugnissen einzuschränken, respektive ihn in manchen Funktionen durch Staatsbeamte zu ersetzen. Gleichwohl habe Napoleon III. einen entscheidenden Umschwung bewirkt. Mit ihm sei ein Zeitpunkt gekommen, da sich die Beamtenmaschine verselbständigt habe (vgl. S. 91). Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang wohl der Hinweis Marx’ auf die Zusammensetzung der Beamten, die weitestgehend aus der Klasse der Parzellenbauern rekrutiert wurde. “Entscheidend für die Lage und das Bewußtsein der Parzellenbauen war ihre lokale Isoliertheit und ihr niedriges Bildungsniveau” (S. 92). Da sie sich nicht selbst regieren konnten, bemächtigten sie über den Umweg der Wahlen Bonaparte sich ihrer Geschicke anzunehmen. So zumindest lautet die Interpretation Marx’ zu dem Geschehen der damaligen Zeit. Auf eine eingehendere Erläuterung verzichte ich an dieser Stelle jedoch. Festhalten kann man jedoch noch, dass Marx, “[t]rotz der im ganzen deprimierenden Situation Frankreichs […] auch hier noch die Chance einer künftigen revolutionären Veränderung” (S. 94) sieht.
Fetscher, Iring, 1999: Marx. Originalausgabe, Freiburg u. a.: Herder