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Sprache in den Neuen Medien (6)

Christa Dürscheid (2005) unterscheidet die Begriffe Medium, Kommunikationsform und kommunikative Gattung.

Chat als Kommunikationsform

Über den Medienbegriff haben wir uns in den vorhergehenden Teilen der Artikelserie genug ausgelassen. Auch Frau Dürscheid gibt zunächst einige Medienkonzepte an, von denen sie sich in der Folge für das technologische Medienkonzept entscheidet. Es macht Gebrauch von dem Medium als technischem Apparat, wie wir es bei Sybille Krämer kennen gelernt haben und zudem von der Charakterisierung des 3 + 1 Zustands, einem Kommunikationsmedium, das Wahrnehmung, Speicherung und Bearbeitung, sowie die Übertragung in sich vereint.

Was ist eine Kommunikationsform?

Wenn wir uns das Mobiltelefon vorstellen, dann ist es das Kommunikationsmedium. Telefonieren, Simsen, usf. hingegen sind Kommunikationsformen, die man auf dem technischen Kommunikationsmedium einsetzt. Der Chat ist demnach eine Kommunikationsform des (umfassenden) Computermediums inklusive Internet-Anschluss. Mailen oder Bloggen sind im Übrigen ebenfalls Kommunikationsformen.

Wie unterscheidet man Kommunikationsformen?

Die folgenden Eigenschaften sind konstitutiv oder zumindest relevant für Kommunikationsformen, sie können anhand dieser auch unterschieden werden (hier für das Beispiel Chat):

  • Zeichentyp: geschriebene Sprache
  • Kommunikationsrichtung: dialogisch
  • Anzahl der Kommunikationspartner: variabel
  • räumliche Dimension: Distanz
  • zeitliche Dimension: quasi-synchron
  • Kommunikationsmedium: Computer

Bei der Anzahl der Kommunizierenden kommt es vor allem auch auf die Frage an, ob eins zu eins kommuniziert wird, oder ob einer mit vielen kommuniziert (das prototypische Verhältnis für Massenmedien). Als quasi-synchron wird der Chat bezeichnet, da die Chatter “ihre Beiträge über die Eingabetaste ab[schicken], die Mitchatter sehen diese unmittelbar danach auf ihrem Bildschirm und können sofort darauf antworten.”

Warum man die beinahe in Echtzeit stattfindende Kommunikation dann einschränkt, und sie nur quasi-synchron sein lässt, liegt daran, dass die Chatpartner nicht mitbekommen, wie die Gegenüber die Nachricht eintippen. Es bleibt keine Option zum Intervenieren, Unterbrechen oder sich gleichzeitig Äußern.
Das ist allerdings nicht korrekt, wenn man bedenkt, dass es schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Dürscheids Aufsatz Instant-Messenger gab, in denen genau eine solche Information im Chat-Fenster stand, wenn der Gegenüber etwas schrieb.

Kommunikative Gattung: Experten- und Beratungschat

Das Konzept der kommunikativen Gattung stammt ursprünglich aus der Wissenssoziologie, hat aber in die Linguistik Einzug gehalten (vgl. Dürscheid). Es beschreibt eine institutionalisierte Lösung kommunikativer Probleme. Man kann das Konzept der kommunikativen Gattung abgrenzen von z. B. der Textsorte. In der Analyse von Gattungen kann man 3 Ebenen unterscheiden, die Außenstruktur, die Binnenstruktur und die intersubjektiv-situative Zwischenstruktur. Die Außenstruktur umfasst den Kontext, die Binnenstruktur “die verbalen und non-verbalen Bestandteile des kommunikativen Geschehens.” Die Zwischenstruktur kann als Interaktionsebene verstanden werden, man analysiert mit ihr Dinge wie Redezuteilung, Sprecherwechsel etc.

Wenn wir, wie Christa Dürscheid, den Chat als Kommunikationsform annehmen, dann sind beispielsweise der Expertenchat oder der Beratungschat als kommunikative Gattungen zu kennzeichnen. In ihnen kann man verfestigte Handlungsmuster ausmachen. Nicht jeder Chat indes kann als kommunikative Gattung interpretiert werden. Denn es kommt vor allem darauf an, dass wir es a) mit einem dialogisch ausgerichteten kommunikativen Geschehen zu tun haben, und b) ein verfestigtes Handlungsmuster dem Chat zugrunde liegt.

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