In Newsgroups und Mailinglisten werden offenbar viele Formen der Kommunikationsregulierung beobachtet. Das birgt jedoch Chancen und Risiken zugleich. Auf der einen Seite lassen sich Normkonflikte diskutieren und beilegen, auf der anderen Seite entstehen so genannte “flame wars” und ursprünglich angesprochene Themen können durch die dem Medium eigene Form der Kommunikation korrumpiert werden. Das zumindest sind Erkenntnisse, die Wilfried Schütte in einem Aufsatz aus dem Jahr 2000 zusammenfasst, und mit denen wir uns im Detail auseinandersetzen wollen.
Ein asketischer Internetdienst
Mailinglisten und Newsgroups erfahren eine durchaus gesteigerte Benutzung, so Schütte im Jahr 2000. Und das, wo sie doch gerade kein multimediales Feuerwerk abfackeln. Schütte hat in seiner Analyse solche Newsgroups ausgeschlossen, die dem Tausch von Dateien (binaries) dienen, sondern sich auf die Art beschränkt, die zum Austausch von Text vorgesehen ist.
Ein wichtiger Impuls, dem wir bei der Untersuchung der Einzelmedien die ganze Zeit über folgen sollten, bzw. den wir nicht aus den Augen verlieren sollten ist die gegenseitige Beeinflussung von Medium und Sprache. Wilfried Schütte formuliert in Form von mehr oder weniger rhetorischen Fragen eine Art Arbeitsauftrag für die Untersuchung der Kommunikationsform Mailingliste/Newsgroup. Er schreibt:
Kann eine durch das Internet etablierte und gepflegte Kommunikationsbeziehung soziale Kontakte ‘in real life’ anreichern, kann sie Defizite direkter sozialer Kontakte kompensieren, können Posten und Mailen in globale Newsgroups und Mailinglisten gar face-to-face-Interaktion und traditionelle Formen schriftlichen Austauschs ersetzen – oder schafft das Internet unausweichlich Deformationen für Leute, die ihre kommunikativen Bedürfnisse vorzugsweise oder gar ausschließlich online zu befriedigen versuchen? Macht das Internet süchtig, und verdirbt es die Sitten? Bereichert oder verödet das Internet die Kommunikation?
S. 143
Kommunikationsregulierung, aber wie?
Auf der Suche nach Antworten widmet Schütte sich dem Problemfeld der Kommunikationsregulierung, als einer Form von Metakommnuikation. Generell möglich ist ein explizites und implizites Beziehen auf Eigenschaften der Kommunikationsregulierung. Möchte man die Formen der Regulierung untersuchen, ist der einfachste Weg, sich zunächst Aussagen mit metakommunikativem Charakter anzusehen. “Metakommunikation” bezeichnet laut Schütte “die Tatsache, dass Sprecher sich in ihren Äußerungen auf eigene oder fremde Äußerungsakte bzw. eigene oder fremde kommunikative Verhaltensweisen in der laufenden Kommunikation beziehen und deren Eigenschaften charakterisieren (Sprechen über die laufende Kommunikation).” (S. 145)
Die Netiquette, FAQs, aber auch Metakommunikation, die dann stattfindet, wenn es zu Bedienungsfehlern kommt, sind Beispiele für Internet-spezifische Kommunikationsregulierung (vgl. S. 146).
Kommunikation in Newsgroups und Mailinglisten
Wie schaut die Kommunikation in Newsgroups und Mailinglisten aus? Schütte ordnet sie in drei soziale Dimensionen, wie er schreibt, die er anhand von Gegensatzpaaren verdeutlicht. Die erste Dichotomie ist diejenige zwischen öffentlich und privat. Eine klare Trennung ist jedoch nicht mehr vorzufinden, stattdessen kommt es zu einer Vermischung, denn der öffentliche Raum wird auf eine Art “intimisiert” (vgl. S. 148f.).
Eine zweite Dimension in der sich die Kommunikation in Newsgroups und Mailinglisten ansiedeln lässt, ist diejenige zwischen Beruf und Freizeit, sie differenziert die Arbeitswelten der Teilnehmer. Es fällt auf, so Schütte, dass Stilmittel Eingang in die schriftliche Kommunikation finden, die eine konzeptionelle Mündlichkeit in der Schriftlichkeit etablieren helfen (das Beispiel hier sind lässiger Umgang mit der Rechtschreibung und Wettermeldungen in den Grußformeln als Form von virtuellem setting talk, vgl. S. 149.). Umgekehrt wird beobachtet, wie sich Kommunikation an manchen Stellen professionalisiert, die Ansprüche und das Selbstverständnis steigen.
Die dritte Dimension schließlich, anhand derer Schütte Kommunikation in den angesprochenen Medien unterscheidet, ist die Dichotomie drinnen und draußen, die auf eine Gruppenzugehörigkeit bezogen werden muss. Auf der einen Seite wird Entfernung überbrückt und virtuelle Kommunikationsgemeinschaften ergeben sich, “die intensiver und im Extemfall (sic!) sogar für die Beteiligten nutzbringender sein können als face-to-face-Kontakte” (S. 150). Auf der anderen Seite finden natürlich auch Abgrenzungen statt, vor allem in Form der Unterscheidung zwischen Laien und Professionellen, bzw. Insidern und Newbies.
Wissenschaftliche Texte kommen nie ohne Theorieanteile aus. Ich möchte diesen Beitrag hier enden lassen, um nicht zu viel auf ein Mal zu verlangen. In der nächsten Folge widme ich mich der Aufgabe die Kommunikationsformen Mailngliste und Newsgroup näher zu erläutern, zu klären warum Schwarze Bretter Gemeinsamkeiten mit Newsgroups haben und außerdem auf die Gefahren von Polarisierung hinzuweisen, die die Quote-Technik mit sich bringt.